03.02.2025: Zeitdiebe
Momo. Die Geschichte von dem kleinen Mädchen und den
Zeitdieben.
Gabor Maté und der Mythos des Normalen.
Gerald Hüther und die zwei Grundbedürfnisse des Menschen.
Und Klaus Eckels Kolumne zur Schönheit der Langeweile.
Momo begleitet Max und mich in grauen, dunklen Winterstunden. Und so lesen wir von den Zeitdieben, die den Erwachsenen einreden, dass sie Zeit sparen könnten und die das glauben. Derweil haben sie immer weniger Zeit, je mehr sie sparen wollen. Und wir lesen von ihren Kindern, die darunter leiden, dass niemand mehr Zeit für sie hat. Wir lesen, wie es den Kindern dabei geht, wenn sie allein gelassen zu werden, mit Spielsachen befriedigt werden, auf die Seite geschoben werden, und bitte einfach nicht stören sollen.
Im Mythos des Normalen schreibt Gabor Maté vom Trauma und von der Bedeutung der Liebe. Und er sagt, wie auch Gerald Hüther das tut: Der Mensch braucht Wurzeln und Flügel. Das sind die Grundbedürfnisse eines jeden Menschen, sie sind altersunabhängig und eben einfach da. Ob wir das nun gutheißen oder nicht. Damit sich Wurzeln und Flügel ausbilden können, braucht es zugewandte Zeit. Wie soll denn das auch sonst gehen? Von selber kommen die auf jeden Fall nicht.
Und dann lese ich die wunderbare Kolumne von Klaus Eckel. Im Kurier, oder? Er beschreibt, wie er in der Warteschlange steht und wie er sofort sein Handy rausnimmt und Texte liest, die ihm nicht guttun. Und das ist es! Ich habe mich sofort wiedererkannt. Da öffne ich Facebook und schon sind 10 Minuten vergangen. Ich habe natürlich immer gute Gründe, ins Internet zu gehen, Nachrichten, E-Mails, usw., aber… echt jetzt? Ja, echt. Ich werde auch immer gefinkelter, damit ja kein schlechtes Gewissen aufkommt. Und so rinnen mir die Minuten und Stunden durch die Finger. Früher habe ich noch Lieder geschrieben oder Texte. Heute? Kaum noch. Langeweile, die wunderbare Langeweile, in der die schönsten Ideen entstehen, wo ist sie geblieben?
Das Schlimmste aber ist – und in dieses Niveau bin ich zum Glück noch nicht aufgestiegen – dass das Handy und die anderen Schirme uns echte Begegnungen vorenthalten. Sowohl Begegnungen mit uns selber als auch Begegnungen mit unseren Männern, Frauen, Kindern, Freund:innen, Nachbar:innen, Arbeitskolleg:innen. Und hier haben wir sie, die heutigen Zeitdiebe. Sie saugen uns ein, sie absorbieren uns. Weil sie uns die Welt zu Füßen legen und doch nichts anderes tun, als uns abzulenken. Vom Leben.
Wir müssen echt aufpassen. Wir haben da eine Richtung eingeschlagen,
die nicht gut für uns ist.
Unsere Kinder zeigen es uns bereits. Es gab noch nie so viele
Kinder mit psychischen Schwierigkeiten. Es gab noch nie so viele Kinder mit
Diagnosen.
Und was tun wir? Wir antworten mit Pillen.
Wir müssen echt aufpassen. Sonst werden wir bald unserer Lebenserinnerungen als auch unserer Lieblingsmenschen beraubt.
16.01.2025: Die zwei Seiten der Herausforderung
Wenn wir uns in einer herausfordernden Situation mit unseren Kindern befinden, schlagen wir uns gerne und fast schon automatisch auf die Seite der Herausforderung. Wir stellen uns hinter sie, zeigen auf sie und fordern in ihrem Namen unsere Kinder auf das zu tun soll, was sie will.
Warum? Glauben wir vielleicht, dass unsere Kinder es sonst nicht verstehen? Ich weiß es nicht.
Aber eines weiß ich: Wenn wir uns auf die Seite der Herausforderung schlagen, dann bewegen wir uns von unseren Kindern weg. Wir lassen sie alleine mit der Herausforderung. Klar, da wir ja nicht bei zwei Orten gleichzeitig sein können. Und das ist schon etwas seltsam, wenn man es recht bedenkt, weil die Herausforderung uns natürlich überhaupt nicht braucht. Sie kommt sowieso daher. Ungefragt. Zu jedem von uns. Immer, wenns grad passt oder auch nicht. Sie kommt, weil sie es muss, und bleibt so lange, bis man sich mit ihr auseinandergesetzt hat. So ist das Leben.
Unsere Kinder aber, die brauchen uns sehr wohl. Nicht nur, wenns fein ist, sondern auch dann, wenns schwierig oder anstrengend ist. Gerade dann. Sie brauchen uns bei sich. Neben sich. Spürbar. Wohlwollend. Nicht, als Oberbefehlshaber:in, der/die aus der Ferne ruft, was zu tun ist, sondern als Vertraute:r, Verbündete:r, den Blick gemeinsam auf die Herausforderung gerichtet und mit der Erfahrung, der Sicherheit und der Zuversicht des Erwachsenseins.
Stell dir vor, es gibt eine Herausforderung und du darfst die Seite wählen. Wem willst du helfen?
Und was passiert eigentlich, wenn wir uns auf die Seite unserer Kinder schlagen?
"Probier mas aus, probier mas aus!" (Zitat: HvG)
01.01.2025: Emotionskontrolle
Mir geht die Frau nicht mehr aus dem Kopf, die sich vor ein paar Tagen in die Treppe gestellt hat und damit verhindern wollte, dass ihr Mann die Kinder schlägt. Statt die Kinder zu schlagen hat er sie die Treppe runtergestoßen.
Wir müssen lernen, mit unseren Emotionen umzugehen.
Und wir müssen unseren Kindern zeigen, wie man da tut.
Es nutzt nix. Wollen wir, dass die Gewalt weniger wird in dieser Welt, müssen
wir ihr etwas entgegensetzen und vor allem müssen wir mit uns selbst und in
unserer kleinen Welt anfangen.
- Gefühle wahrnehmen.
- Gefühle benennen.
- Was ist die Botschaft dahinter?
- Was ist der nächste Schritt, der niemandem schadet und mich/uns weiterbringen kann?
- Tun.
- Gegebenenfalls wiederholen.
Fazit: Den Kindern lehren, mit Emotionen umzugehen, in dem man lernt, mit Emotionen umzugehen.
In diesem Sinne: Frohes neues Jahr!
14.12.2024: Vom Sicheren Hafen
Das ist bereits der dritte Tag, an dem ich in meinen Computer starre, während ich in meinem Gehirn herumwühle und nach etwas Verwertbarem Ausschau halte. Leider liegt dort nicht viel mehr herum als die Termine und Notwendigkeiten der nächsten Tage und ziemlich viel Gatsch.
Der Winter ist nicht meine Jahreszeit. Mit Neid blicke ich auf die Bären und die Murmelen, die sich im Spätsommer und im Herbst kugelrund fressen dürfen, ja, müssen, bevor sie sich in ihre Höhlen und ihre Bauten zurückziehen, sich ein kuscheliges Platzl suchen und noch einmal tief einatmen, bis ganz hinunter in den Bauch, um dann ganz, ganz langsam hinüberzugleiten in diese andere, innere Welt voller Behagen und Absurditäten. Klingt das nicht wunderbar?
In unserem westlich-menschlichen Leben dagegen geht’s im Dezember richtig ab. Weihnachtsfeiern, Weihnachtseinkäufe, noch gschwind die 284 Freund:innen treffen vor Weihnachten, Weihnachtsputz, Weihnachtskarten schreiben, dekorieren, Weihnachtsbaum besorgen, Weihnachtsoutfit einkaufen, Luciafest. Und das alles zusätzlich zum ganz normalen Alltagswahnsinn.
Die Nerven liegen blank.
Aber nicht nur bei den Erwachsenen. Finnische Kinder haben massenweise Tests zu schreiben in der Schule, sie müssen für die Weihnachtsfeieraufführung üben, sie bekommen das Halbjahreszeugnis, und besuchen sie einen oder mehrere Kurse, ist das der Monat der Wahrheit. Im Zuge von Aufführungen und Vorstellungen dürfen sie das Gelernte ihren Eltern und anderen Erwachsenen präsentieren. Für viele bedeutet das großen Stress und schlaflose Nächte.
Im Zuge der Vorbereitung für meinen
Vortrages zum Thema Mobbing habe ich von der Notwendigkeit des Sicheren Hafens
gelesen.
Das Zuhause als Sicherer Hafen. Ich mag dieses Bild. Im sicheren Hafen
sind die Boote festgebunden. Da mögen die (Lebens-)Wellen noch so groß sein und
der (Lebens-)Wind noch so sehr an den Segeln reißen, es macht nichts. Es kann und
wird nichts passieren.
Im Sicheren Zuhause-Hafen muss man sich nicht
zusammenreißen. Man darf sein, wer und wie man ist. Gefühle sind willkommen und
erlaubt. Es gibt genug Zeit, Geduld und Vertrauen, die es jeder und jedem
ermöglichen, sich das Leben anzueignen und auszuprobieren. Gleichwürdige
Kommunikation ist das Verbindungsglied zwischen den einzelnen
Familienmitgliedern. Bedürfnisse werden gesehen und gehört und soweit wie
möglich berücksichtigt. Ent-Spannung. Zugewandtheit. Zusammenhalt.
Gelten tut das für alle
Familienmitglieder. Unabhängig von Alter und Geschlecht.
Das Bild vom Sicheren Hafen hilft
mir aber auch, den Weihnachts-Wahnsinn zu überstehen und auszuhalten.
Was macht für mich einen Sicheren
Hafen aus?
Was möchte ich? Wie möchten wir es
haben? Was ist uns wichtig? Und was eigentlich nicht?
Wichtig ist mir das Zusammensein
mit meinen zwei Lieblingsmenschen.
Unwichtig ist mir, welche Kleidung
wir dabei an unseren Körpern haben.
Wichtig ist mir, dass unser Haus
ein gemütliches ist mit Feuer, Wärme und Kuschelstimmung.
Unwichtig ist mir, ob es frisch
geputzt ist.
Wichtig ist mir, dass wir Freude
miteinander haben, dass wir lachen, dass wir uns mögen.
Unwichtig ist mir, wie teuer die
Geschenke waren.
Wichtig ist mir, dass wir offen in
unseren Gestaltungsideen sind und unsere Familientraditionen entstehen und
wachsen dürfen.
Unwichtig sind mir leere Überschriftstraditionen.
Diese Fragen helfen mir übrigens
auch in allen anderen Monaten.
Was ist mir wichtig?
Was möchte ich?
Was möchte ich nicht?
Und wie möchte ich, dass wir
miteinander umgehen?
Ich für meinen Teil möchte alles
dafür tun, dass unser Zuhause der Sichere Hafen ist. Für meinen Sohn, für
meinen Mann und für mich.
Weil – dann hält man schon ein
bisschen einen Sturm aus da draußen im Leben.
Frohe Weihnachten!
04.12.2024: Nahrung für die Kinder
Mein 9jähriger Sohn kommt zu mir und
erzählt von einem Lied, das in der Schule gerade total angesagt ist. Maja
Piraya. Es ist deshalb so populär, v.a. unter den Jungs, weil eine Piranha
irgendjemandem ins Geschlechtsteil beißt. Ok. Kann ja ganz lustig sein.
Wir schauen uns das also auf YouTube
an. Und ich komme mir sehr, sehr alt vor und tue mir außerordentlich schwer
damit, dieses Lied nicht als blödsinnig abzutun.
Wir schauen weiter.
Es gibt eine andere Musikgruppe, von der die KlassenkameradInnen meines Sohnes immer reden und die sooo super ist. Diese Musikgruppe heißt wie das Geschäft für Alkohol in Schweden. Und genau das, also Alkohol, scheint der Inhalt jeden Liedes zu sein. Während die Bandmitglieder in ihren Liedtexten singen und lallen, wie sie schon am Vormittag auf ihre Feierabendbier warten, werden im Publikum riesige Bierdosenluftballons herumgeworfen.
Und ich frage mich: Echt jetzt?
Ist es das, womit wir die Gehirne und
die Herzen unserer Kinder füttern wollen?
Hamburger.
Schrille Filme mit total überzogenen,
hysterischen Figuren.
Schokolade als Belohnung.
Rosarote Prinzessinenkleider für die
Mädels und Superheldenaufdrucke auf dunklem Stoff für Jungs.
Fleischbälle mit Kartoffelpüree.
Computerspiele.
Würschtl mit Pommes.
TikTok und Instagram.
Pizza mit Schinken und Cocktailsauce.
Glitzer-Plastik-Batteriespielzeugwahnsinn.
Fast Food.
Stupide, "lustige" Liedtexte.
Die Gehirne unserer Kinder sind noch
sehr weich, formbar.
Wir dürfen gut darauf schauen, was wir da
in unsere Kinder hineinlassen. Ich denke, ein Zuviel an Qualität geht gar
nicht. Dass ab und zu mal Mist dabei sein muss, ist klar. Wir sind ja keine
Roboter. Und mal eine Schokolade, ein Paktl Chips oder auch mal einen Kinofilm,
der vielleicht nicht geistreich, dafür aber einfach nur lustig ist, darf sein und muss ein.
Nur manchmal habe ich den Eindruck, dass diese Form von Nahrung die einzige ist, die wir unseren Kindern zukommen lassen. Und wenn das so ist, dann ist das fatal.
Kinder brauchen Nahrung. Im
wörtlichen ebenso wie im übertragenen Sinne. Kinder müssen wachsen, sie müssen
sich das Leben aneignen, sie müssen sich ausprobieren, lernen und Dinge herausfinden. Das alles verbraucht
sehr viel Energie, die ja wieder von außen zugeführt werden muss.
Hier sind wir Erwachsenen gefordert.
Es ist unsere Aufgabe, zu schauen, dass unsere Kinder genug von dem bekommen,
was sie brauchen.
Gesundes Essen, das nährt, schmeckt, den Körper gesund hält und die Umwelt nicht belastet.
Musik, die umgarnt, bestätigt und herausfordert.
Kunst, die den Sinn fürs Schöne
anspricht und in Frage stellt.
Literatur, die Zuflucht und ein Spielfeld
bietet und inspiriert.
Ja, auch für die Kinder. Gerade für die
Kinder.
Kinder wissen ja immer sehr genau, wozu sie gerade Lust haben, aber nicht immer so genau, was sie eigentlich brauchen. Deshalb ist es gut, wenn wir Erwachsene uns unserer Verantwortung dahingehend bewusst werden.
Dinge, die wir in uns hineinlassen,
unterstützen unsere Gesundheit oder schaden ihr. So einfach ist das.
Dinge, die in unsere Kinder eindringen,
unterstützen ihre Gesundheit oder schaden ihr. So einfach ist auch das.
Man darf sich ruhig fragen: Was
lernen die Kinder von Erwachsenen in infantiler Kleidung, die auf der Bühne eingeschränkte
Tanzbewegungen ausführen und dabei ein jämmerliches Bild abgeben?
Was lernen sie von Menschen, die
gerne cool sein möchten und glauben, diesen Eindruck am besten mit Alkohol
transportieren zu können?
Was lernen sie, wenn wir ihnen
vorleben, dass nur Fleisch richtiges Essen ist und den Körper satt machen kann?
Und was lernen sie, wenn wir den
Konsum über das Erfahren stellen? Also, zum Beispiel Leben im Handy statt draußen im Leben?
Ich wünschte, wir Erwachsenen wären manchmal ein bisschen bewusster in unserem Konsumverhalten. Für uns selbst und für unsere Kinder.
Denn alles hinterlässt Spuren und hat
unmittelbare Auswirkung auf unser aller Lebensqualität.
In diesem Sinne: Schöne Adventszeit!
27.11.24
Ab dem heutigen Tag teile ich hier meine Gedanken, Beobachtungen und Ideen.
Es freut mich, dass du dabei bist :-)! Bis bald!